Wir fordern die Staatsregierung auf, eine Regelung zu erlassen, welche die Erfassung der ambulanten und stationären Bedarfslage vorsieht, sowie einen Schlüssel für ein ausreichendes Angebot ambulanter und stationärer Einrichtungen im Flächenland festlegt.
Der Antrag im Wortlaut:
Mein Körper, meine Entscheidung: körperliche Selbstbestimmung für Frauen in Bayern
Der Landtag wolle beschließen:
Der Landtag stellt fest, dass es nicht hinnehmbar ist, dass Frauen, die einen Schwangerschaftsabbruch benötigen, in 43 Landkreisen und kreisfreien Städten in Bayern dafür mindestens 40 Autominuten fahren müssen. Der Sicherstellungsauftrag aus §13 Schwangerschaftskonfliktgesetz (SchKG) ist nicht erfüllt.
Die Staatsregierung wird aufgefordert dafür zu sorgen, dass ungewollt schwangere Frauen in Bayern endlich ausreichend medizinisch versorgt werden. Dafür soll zeitnah die Erfassung der ambulanten und stationären Bedarfslage erfolgen sowie ein Schlüssel für ein ausreichendes Angebot ambulanter und stationärer Einrichtungen im Flächenland festgelegt werden. In dieser Landesregelung wird der hohe Stellenwert des legalen und sicheren Zugangs zu Schwangerschaftsabbrüchen für die reproduktive Gesundheit und Freiheit festgehalten. Beratungsstellen, Gesundheitsämter, die Bayerische Krankenhausgesellschaft (BKG), Universitätskliniken, die Ärztekammer, der Berufsverband der Frauenärzte e. V. Bayern sowie die Kassenärztliche Vereinigung Bayern (KVB) sollen eingebunden werden.
Daraus sind unverzüglich Maßnahmen zu ergreifen, die eine gute Versorgungslage für ungewollt Schwangere sicherstellen.
Begründung:
Anlässlich des am 13. August 2025 erschienen Abschlussberichts der ELSA-Studie "Erfahrungen und Lebenslagen ungewollt Schwangerer – Angebote der Beratung und Versorgung“ ist der Handlungsbedarf der Bayerischen Staatsregierung für eine landesweite angemessene Versorgung von ungewollt Schwangeren erneut festzuhalten. Die bisher umfassendste Studie zu Schwangerschaftsabbrüchen in Deutschland ermöglicht mit wissenschaftlichen Erkenntnissen eine akkurate Einschätzung zur aktuellen Versorgungssituation von ungewollt schwangeren Frauen und die konkreten Versorgungslücken in den einzelnen Bundesländern. Als Ergebnis festgehalten ist, dass beim Zugang zu medizinischer Versorgung Frauen auf Barrieren stoßen sowie Zeitdruck und Schwierigkeiten bei der Organisation des Schwangerschaftsabbruchs erleben. Die Studie zeigt weiter auf, dass die Versorgungslage für ungewollt Schwangere regional stark variiert. Die Zugangsbarrieren variieren nach Region, wobei Frauen in schlechter versorgten Gebieten mehr Hindernisse beim Zugang zu medizinischer Versorgung erleben. Bayern gehört mit Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg zu den Bundesländern mit der geringsten Versorgungsdichte. Auf dem Weg zum Schwangerschaftsabbruch stießen 4 von 5 Frauen und damit die Mehrheit auf mindestens eine Barriere, jede dritte Frau sogar auf drei und mehr Barrieren.
Wenn nach den Kriterien der Bedarfsplanung der Kassenärztlichen Vereinigung für die Gynäkologie gerechnet wird - demnach müssen 95% der Bevölkerung innerhalb von 40 Autominuten die nächste Einrichtung erreichen können - erfüllen laut ELSA-Studie 84 von 400 Landkreisen und kreisfreien Städten dieses Kriterium nicht. Davon liegen 43 in Bayern. Daraus ist der Schluss zu ziehen, dass in Bayern eine angemessene Versorgung von ungewollt Schwangeren nicht gegeben ist. Dabei haben die Bundesländer nach § 13 Abs. 2 SchKG ein ausreichendes Angebot ambulanter und stationärer Einrichtungen zur Vornahme von Schwangerschaftsabbrüchen sicherzustellen.
Aus Anfragen der Grünen an die Staatsregierung geht hervor, dass dies nicht überall in Bayern gewährleistet wird. In einigen Regionen müssen Frauen sehr lange Wege teilweise durch ganz Bayern in einen anderen Regierungsbezirk zurücklegen, wenn sie einen Schwangerschaftsabbruch vornehmen lassen wollen. Laut Angaben der Staatsregierung gibt es in fast allen Regierungsbezirken in mehr als der Hälfte der Landkreise bzw. kreisfreien Städte kein einziges Angebot an stationären oder ambulanten Einrichtungen zur Vornahme eines Schwangerschaftsabbruchs. In Schwaben und der Oberpfalz gibt es keine Krankenhäuser mit Bereitschaftsanzeige, Schwangerschaftsabbrüche vorzunehmen. In Niederbayern gibt es nur zwei Ärztinnen, die Abbrüche durchführen, eine davon macht das nur alle 14 Tage. Frauen in Bayern haben es nicht leicht, Abbrüche vornehmen zu lassen.
Beratungsstellen, Ärztinnen und Ärzte und Frauenorganisationen zugleich kritisieren die Situation im Freistaat und erwarten von der Staatsregierung das Ergreifen von Maßnahmen, die zu einer Verbesserung führen. Dabei gibt es neben den Vorgaben aus dem SchKG auch internationale Pflichten für eine Gleichstellung der Geschlechter und eine bessere medizinische Versorgung von Frauen. Im Rahmen der Ziele für nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen wird festgehalten, Geschlechtergleichstellung zu erreichen und alle Frauen und Mädchen zur Selbstbestimmung zu befähigen. Das Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form der Diskriminierung der Frau (CEDAW) verpflichtet Bayern und Deutschland zum Schutz der reproduktiven Rechte von Frauen. Weltweit, auch in Deutschland, werden rechtskonservative und nationalistische Bewegungen immer lauter. Sie greifen zunehmend die Rechte von Fraue an, dabei sind reproduktive Rechte oft Zielscheiben dieser Angriffe. Frauenrechte sind damit auch immer ein Gradmesser für unsere Demokratie. Die reproduktive Selbstbestimmung und Freiheit von Frauen ist eine Voraussetzung für die Geschlechtergerechtigkeit einer demokratischen Gesellschaft. Um die Situation von ungewollt Schwangeren in Bayern zu verbessern, kann nicht weiter tatenlos zugeschaut werden, sondern konkrete Maßnahmen müssen von der Staatsregierung ergriffen werden. Frauen dürfen in dieser schwierigen Situation nicht alleingelassen werden.
Als Maßnahme soll die Staatsregierung eine Regelung erlassen, womit die Umsetzung des Sicherstellungsauftrags zeitnah erfolgt sowie eine wohnortnahe Versorgung im Flächenland gewährleistet wird. An dieser Stelle hat Bremen schon vorgelegt und als erstes Bundesland ein Gesetz auf den Weg gebracht, um für ein besseres Angebot für Betroffene zu sorgen. In der Begründung des Gesetzes wird auf die Eigenverantwortung und damit Gestaltungsfreiheit der Länder zum Bestimmen der landespolitisch angemessenen Umsetzung des Sicherstellungsauftrags eingegangen. Dies wurde in zwei Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages zu Anfragen nach der Verantwortung der Bundesländer für die Sicherstellung mit Einrichtungen zum Schwangerschaftsabbruch mehrfach hervorgehoben:
„Den Ländern obliegt in eigener Verantwortung, dem in § 13 Abs. 2 SchKG festgelegten Versorgungsauftrag nachzukommen“ und „den Ländern obliegt eine eigenverantwortliche Zuständigkeit, den Sicherstellungsauftrag zu erfüllen. Jedes Land muss dies bezogen auf die jeweiligen Gegebenheiten entscheiden.“
Nicht zuletzt umfasst die Erfüllung des Sicherstellungsauftrags laut dem Deutschen Juristinnenbund (djb) eine verfassungsrechtliche Pflicht, weil dem Bundesverfassungsgericht nach dies zur bundesrechtlich begründeten Staatsaufgabe gehört: „Für ein ausreichendes Angebot an Abbrucheinrichtungen auch in der Fläche des Landes im Sinne einer Auswahlmöglichkeit zwischen stationären und ambulanten Einrichtungen zu sorgen. Eine so verstandene Sicherstellung verlangt ein umfassendes Konzept jeweils für das ganze Land. Gefordert sein können flächenbezogene Erhebungen des voraussichtlichen Bedarfs und der bereits vorhandenen Einrichtungen sowie – ähnlich wie bei der Krankenhausplanung – eine landesweite infrastrukturelle Planung, in welche die Einrichtungen privater, frei gemeinnütziger, kommunaler oder staatlicher Träger aufzunehmen und aufeinander abzustimmen sind. Sollen Einrichtungen zum Schwangerschaftsabbruch privaten oder kommunalen Krankenhausträgern zur Pflicht gemacht werden, so bedarf es hierzu gesetzlicher Regelungen, durch die in einer rechtsstaatlichen Anforderung genügenden Bestimmtheit Maßstäbe und Befugnisse für die erforderlichen behördlichen Anordnungen festgelegt werden.“ Wie dieser Versorgungsschlüssel konkret auszusehen hat und wo die neue Regelung untergebracht wird, wurde bewusst offengelassen. Eine Möglichkeit wäre, das Gesetz über den öffentlichen Gesundheitsdienst (GDG) zu ergänzen. In der Entwicklung dieser Regelung sollen Ärztinnen und Ärzte, Beratungsstellen, Gesundheitsämter, Krankenkassen und Betroffene angehört werden.